Dosenfutter in Tempelhof

Von Edirh Döhring.

„Küchenbilder“, „Leibgericht“, „Narr mit Wurst“ – schon die Titel einige seiner früheren Ausstellungen lassen erkennen: Raimund Spierling liegen die Themen Nahrung und Essen am Herzen. Nun hat der Künstler, der in Berlin-Tempelhof lebt und in Düsseldorf ein weiteres Atelier hat, mit dem Projekt „Overdose“ dem Gegenstand seines Interesses eine neue Facette hinzugefügt. Er kreiert überdimensionale Lichtdosen für den Objektbereich.

„Overdose“
Was ist „Overdose“? Große, malerisch verfremdete Konservendosen werden zu Objekten im Außenraum. Sie entstehen auf Basis von realen, teils exotischen, immer visuell besonders anregenden Konservendosenetiketten, die Spierling in der ganzen Welt sammelt. Gefundene Alltagsobjekte, Collage und Übermalung sind das Rezept für die attraktiven Unikate. Als so genannte „Ready-mades“, also Alltagsobjekte des täglichen Gebrauchs, die aus ihrer Umgebung herausgelöst und zum Kunstwerk wurden, bilden seine 80 cm hohen Dosen faszinierende farbige Kontrapunkte im oft grauen öffentlichen Raum. Die Motive sind so vielfältig wie originell; auch ganz individuelle Objekte hat Spierling auf Wunsch bereits angefertigt. In Arbeit ist eine Luftbrücken-Overdose, gewidmet den Akteuren der Luftbrücke und den Menschen im Nachkriegsberlin, gestaltet anhand eines Originaldosenetiketts von 1948.

Künstlerisches Konzept – Truth or Lie?
Die Idee hinter dem Projekt ist durchaus gesellschaftskritisch. Schon vor über 200 Jahren wurden hermetisch verschlossene Dosen zum Aufbewahren konservierter Lebensmittel verwendet. Sie sollten das Lebensmittel vor Umwelteinflüssen schützen sowie wertvolle Vitamine und den vollen Geschmack erhalten. Ob Bohnen, Suppen, Champignons, Leberwurst oder Fertiggerichte – viele Lebensmittel fristen seitdem ihr Dasein in den Dosen mit den schönen bunten Etiketten. Doch was steckt tatsächlich im Dosenessen? Die bittere Erkenntnis: häufig wird der Verbraucher einmal mehr getäuscht und betrogen. Denn von den blendenden Versprechungen der Verpackung ist die Qualität des Inhalts meilenweit entfernt. Zermatscht und unappetitlich ist die Dosennahrung außerdem unbekömmlichen Einflüssen ausgesetzt, denn wie jede Verpackung gibt auch die Konservendose Schadstoffe ins Füllgut ab. Das schöne Äußere birgt – wie leider häufig – eine Überdosis Unliebsames. Für dieses Thema will „Overdose“ sensibilisieren.

Termine
„Overdose“ wird im Rahmen des Berliner Festival of Lights, 9. bis 20. Oktober 2013 zu sehen sein: im Skulpturengarten der Paulus-Gemeinde und im Garten des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Außerdem auf den Düsseldorfer Kunstpunkten am 7./8. September 2013 und als Installation für die Galerie Peristyle im Park der Bonner Burg Lede. www.overdose-berlin.de

Edith Döhring